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Pfarrer Kalbhenn – 54 Jahre im Dienste der Kirche

Wie kam das Mosaik-Bleiglas-Fenster in die Roggauer Kirche?

Es wurde anlässlich der Goldenen Hochzeit vom Geheimen Kirchenrat Dr.h.c. Friedrich Kalbhenn und seiner Ehefrau Emilie Sophie 1908 gestiftet. Er war über 30 Jahre als Pfarrer in Burg-Gräfenrode tätig.

Wie kam es dazu? Welche Geschichte verbirgt sich dahinter?

Von 1750 bis 1837 waren sein Urgroßvater Balthasar und sein Großvater Konrad bereits Schuldiener bzw. Lehrer in Roggau gewesen. Sein Vater, Georg Kalbhenn, wurde 1795 in Burg-Gräfenrode geboren. Ab 1819 war er vierzig Jahre lang Lehrer in Ossenheim bei Friedberg.

Dort wurde 1828 Friedrich Kalbhenn geboren, fünf Jahre später sein Bruder Heinrich. Er studierte Theologie in Gießen und arbeitete bereits neben dem Studium als Privat-Lehrer, um sein Studium und den Gymnasiumbesuch des Bruders zu finanzieren. Die Vergütung eines Dorfschullehrers war zu dieser Zeit wohl sehr bescheiden und es fiel den Eltern daher nicht leicht, die Ausbildung der Kinder zu zahlen. Sein Bruder wurde ebenfalls Pfarrer.

Sein Vikariat absolvierte er 1853 in Hirschhorn am Neckar. Auch hier arbeitete er noch als Lehrer an einer privaten Religionsschule und als Hauslehrer für die Kinder des Landrichters Harbordt. Hier lernten sich die späteren Eheleute kennen.

Ab 1854 war Herr Kalbhenn als Pfarrer in Petterweil eingesetzt. An seinem 30. Geburtstag heiratete er die sechzehnjährige Emilie Harbordt. Fünf Kinder sollte das Ehepaar bekommen.

Wie war die Lage in Petterweil zu dieser Zeit? Laut dem Historiker Dieter Wolf war Petterweil im 19. Jahrhundert eine Hochburg der Freiheitsbewegung in der Wetter-au. Man engagierte sich „gegen Fürstenwillkür und für politische Mitverantwortung“.

Im Jahr 1848 hielt Robert Blum, ein „radikaler Demokrat“ und Mitglied des Paulskirchenparlaments dort seine bekannte Wiesenrede. Später wurde er im Zuge der Unruhen in Wien verhaftet und erschossen. Kalbhenns Vorgänger als Pfarrer in Petterweil, Heinrich Christian Flick, war sogar wegen seines politischen Wirkens („Verdacht des Hochverrates“) inhaftiert und mehrere Jahre suspendiert. Näheres hierzu kann man in den Veröffentlichungen des Karbener Geschichtsvereins finden.

Pfarrer Lortz schrieb 1926 in den „Heimatglocken“ zur damaligen Situation in Petterweil: „Man wachte in jener Zeit aus dem Taumel von 1848 allmählich auf, man sah wohin bloße Begeisterung für Freiheit führte. … So durfte er sich in Petterweil, wenn auch in einer nicht von Schwierigkeiten freien Zeit, an einer sich immer mehr entwickelnden Gemeinde erfreuen. Aber auch der „Feind“ ruhte nicht. Es setzten aufs neue politische Wirren ein, und die hochgehenden Wogen bei einer Bürgermeisterwahl riefen einen tiefgehenden Spalt in der Gemeinde hervor.“

Die der Gemeinderatswahl von 1874 in Petterweil folgende Bürgermeisterwahl wurde über mehrere Instanzen erfolgreich gerichtlich angefochten und musste 1875 „unter dem Schutz der Gendarmerie“ wiederholt werden.

Daher erfolgte 1876, nach 22 Jahren in Petterweil, der Wechsel auf die Pfarrstelle in Burg-Gräfenrode. Friedrich Kalbhenn schrieb selbst dazu: „Das andauernd das kirchliche Leben schädigende Parteiwesen ließ mich nach einer ruhigeren Gemeinde Ausschau halten, und als die Pfarrstelle zu Burg-Gräfenrode zur Besetzung ausgeschrieben wurde, zog es mich nach dem Ort meiner Väter.“ (Quelle: Horst Preisser, Kirchenchronik Petterweil)

Diese Pfarrstelle sollte er dann 32 Jahre (!) bis zu seiner Pensionierung im Alter von 80 Jahren behalten. Pfarrhaus war die Oberburg. Hier betrieb er, auch mit der Unterstützung seiner Frau und seiner Tochter, lange Jahre eine Privatschule.

Aus dieser Verbundenheit zu „seinem“ Dorf und den Bewohnern resultierte dann die Stiftung dieses Kirchenfensters, das besonders wirkt, wenn die durchscheinende Sonne die Farben zum Leuchten bringt.

Seinen Ruhesitz hatte das Ehepaar ab 1908 in Marburg. Dort verstarb Friedrich Kalbhenn am 20.05.1911. Seine Ehefrau starb vierzehn Jahre später. Beerdigt wurde sie an der Seite ihres Gatten von ihrem Sohn Adolf, der ebenfalls als Pfarrer tätig war und sich in Oberhessen stark für kirchliche Posaunenchöre engagierte. Durchgehend bis heute sind Nachfahren der Eheleute Kalbhenn als Pfarrer oder Pfarrerin tätig.

Pfarrer Lortz schreibt kurz darauf in einem Nachruf: „Den meisten Gemeindegliedern ist noch in Erinnerung, wie lebhaft es im Pfarrhaus zuging. Mehrere hundert Schüler haben dort im Lauf der Jahrzehnte viel Gutes für Leib und Seele erhalten. Und wenn die Wirksamkeit ihres Gatten in der Gemeinde von Segen gewesen ist, so ist es nicht zum geringen Teile seiner Lebensgefährtin zu verdanken, die ihm bei aller äußeren Unruhe ein behagliches Heim bereitete.“ 

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