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Die St. Michaeliskirche Klein-Karben

Wenn Sie über die Treppe in unsere Kirche kommen und gleich hinter dem Eingang nach rechts sehen, schauen Sie auf das älteste Fenster der Kirche aus der Zeit, als dieser Ort noch eine Wehrkirche war. Richten Sie dann wieder Ihren Blick geradeaus, schauen Sie auf die Orgel, die bei der letzten Renovierung 1999 eingebaut wurde. So liegen zwischen Fenster und Orgel nicht nur 15 Meter, sondern zugleich auch mehr als 800 Jahre. Damit wird deutlich: Diese Kirche hat eine lange und spannende Geschichte zu erzählen.

Naturgemäß wirft diese Geschichte mehr Fragen auf, als dass sie Geheimnisse preis gibt. Wir laden Sie ein, sich Ihr eigenes Bild zu machen. Sollten wir Ihr Interesse geweckt haben - ein Buch über unsere St. Michaeliskirche ist im Gemeindebüro erhältlich.

"Die Kirche ist einzig in ihrer Art, hat die Form eines griechischen Kreuzes. Unter der Vierung liegt eine Krypta mit runder Apsis. Die Kirche stammt anscheinend aus spätromanischer Zeit. Romanisch ist außerdem eine Tympanonplatte mit Kreuz, die jetzt flachliegend über dem Gang, der zur Krypta führt, als Deckensturz benutzt ist, das Portal der Oberkirche ist romanisch und schließlich noch ein Löwenkopf, während die Sakristeitür und drei spitzbogige Fenster der Oberkirche auf gotischen Ursprung hinweisen."

Professor Heinrich Walbe, Denkmalpfleger der Provinz Oberhessen des Großherzogtums Hessen, 1913

R.Thiele

In welcher Zeit die Geschichte der St. Michaeliskirche tatsächlich begann, kann heute niemand mehr genau sagen. In einer Urkunde aus dem Jahr 1192 wird ein »Berthold, der Pfarrer in Karben« genannt. Möglicherweise reicht die Entstehungsgeschichte der Kirche deutlich weiter in die Vergangenheit. Die heutige St. Michaeliskirche ist im Wesentlichen ein gotischer Bau aus dem 14. Jahrhundert. Sie gründet auf einem Gewölbe romanischen Ursprungs, das sich in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts datieren lässt. Der Kirchenbau selbst hat sein Erscheinungsbild im Laufe der Geschichte mehrfach verändert. Ein Fenster bezeugt bis in die Gegenwart den Charakter einer mittelalterlichen Wehrkirche, andere Fenster sind spätgotischen Ursprungs. Auch im Innern haben Renovierungen und Umbaumaßnahmen immer wieder gravierende Veränderungen mit sich gebracht. Geblieben ist der ungewöhnliche Grundriss in Form eines Griechischen Kreuzes – einzigartig in der gesamten Wetterau.

Seit der Reformation, die Karben in den 1540er Jahren erlebte, ist St. Michaelis eine protestantische Kirche. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, nach dem Dreißigjährigen Krieg; veränderte die Kirche ihr Erscheinungsbild nachhaltig.

Beeindruckend sind bis in die Gegenwart die Bemalung der neu eingerichteten Emporen und die Kanzel aus dem Jahr 1665. Im 18. Jahrhundert wurde schließlich eine erste Orgel installiert und die Anordnung der Altäre mehrfach verändert.

 

 

Besondere Beachtung verdient die Bemalung der Emporen, die Abbildungen von Heiligen enthält. Die Kanzel ziert zudem ein Bildnis der Maria – eher ungewöhnlich für eine zu der Zeit ja schon lange protestantische Kirche. Zwei kostbare Besonderheiten befinden sich in der nördlichen Fensternische des Chores von St. Michaelis: Spätgotische Wandmalereien, die wahrscheinlich aus dem 15. Jahrhundert stammen. Ungewöhnlich ist insbesondere die Darstellung der Heiligen Margareta, der der Sage nach der Teufel in Form eines Drachen erschienen war. In der christlichen Ikonographie wird sie in der Regel mit dem Fabelwesen abgebildet – üblicherweise jedoch in abwehrender Haltung, das Tier auf dem Boden. In der St. Michaeliskirche hingegen hält die Heilige Margareta den Drachen wie ein Schoßhündchen auf dem Arm. Ein freigelegtes Weihekreuz findet sich an der Südseite des Ostarms, erhalten ist auch das Kruzifix aus dem Jahr 1686.

Eine erste Erwähnung von Kirchenglocken in St. Michaelis stammt aus dem frühen 17. Jahrhundert. Rund 300 Jahre wurde das heutige Geläut zusammengestellt. Bereits im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts wurde es mehrfach verändert, wobei stets größere Glocken die jeweils kleineren ersetzten. Die Glocken sollte im 20. Jahrhundert ein ähnliches Schicksal ereilen: Während die eine im Ersten Weltkrieg gemeinsam mit den Prospektpfeifen der Orgel eingeschmolzen wurde (1917), musste die andere im Zuge der »Mobilmachung« im Zweiten Weltkrieg abgeliefert werden. Seit 1952 ergänzen die große, 367 kg schwere Christusglocke sowie die kleine, 149 kg leichte St. Michaelisglocke das Geläut der Kirche zu einem Dreiergeläut.

Kurios: Der Dachreiter war nicht auf die Schwere der Glocken ausgelegt. So wurden die Glocken 1970 aus dem Turm entfernt und auf einen Glockenträger im Kirchhof verbracht. Erst in den 1990er Jahre konnte die Statik des Dachreiters derart angepasst werden, dass alle drei Glocken heute wieder im Turm der Kirche läuten können. Der externe Glockenturm steht heute funktionslos im Kirchgarten.

Das Antlitz der St. Michaeliskirche hat sich immer wieder verändert. Noch am heutigen Kirchenbau lassen sich verschiedene Bau- und Umbauphasen erkennen, die verdeutlichen, dass die im Wesentlichen gotische Kirche schließlich ein Produkt aus verschiedenen Zeiten darstellt. Insbesondere die vorhandenen (und die vermauerten) Fenster und Portale dienen als Zeugen unterschiedlicher Epochen. Das wohl älteste Fenster ist klein und schmal – und erinnert stark an eine Schießscharte. Eine weitere Besonderheit stellt die gotische Rosette über dem Westportal dar, das einzige Rundfenster des Kirchenbaus.

Unterhalb der Kirche befindet sich ein annähernd quadratischer Gewölberaum mit gut vier Metern Seitenlänge, der den ältesten Teil des Gebäudes markiert. Eine archäologische Voruntersuchung datiert seine Entstehungszeit vorläufig auf die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts, wonach die älteste noch sichtbare Bausubstanz der Kirche (spät-)romanischen Ursprungs wäre. Insgesamt handelt es sich um einen ungewöhnlichen Raum, der zumindest in Hessen einzigartig ist. Heute wird der Raum durch einen (nachträglich gebauten) gangartigen »Kellerhals« erschlossen, der sich von Norden aus an den ursprünglichen Zugang anschließt. Über dem Ausgang des Kellerhalses ist als Sturz ein Halbkreistympanon vermauert.

 

Um den ungewöhnlichen Gewölberaum unter der heutigen Kirche St. Michaelis ranken sich zahlreiche Deutungen, Mythen und Geschichten. Welche Funktion dem Raum bei seiner Entstehung zugewiesen wurde, bleibt geheimnisvoll.

Die Außenansicht der St. Michaeliskirche wird vom zentralen Kirchturm geprägt. Genaugenommen handelt es sich um einen Dachreiter, da der Turm über kein eigenes Fundament verfügt.

Auch das Außengelände um die Kirche hat sich im Laufe der Jahrhunderte charakteristisch verändert. Im Spätmittelalter war das erhöht liegende Kirchengelände mit Mauern verteidigungsfähig befestigt. Auf dem Fundament des hangseitigen, rechteckigen Flankenturms wurde im 18. Jahrhundert das Fachwerk-Spritzenhaus errichtet, das bis in die Gegenwart die Ansicht von Westen prägt. Wie allgemein üblich, wurde der Bereich um die Kirche lange Zeit als Friedhof genutzt. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde ein Friedhof außerhalb des Dorfes angelegt. Auch im 19. und 20. Jahrhundert gab es diverse Umbauten und Renovierungsarbeiten. Bei der »Hauptreparatur« 1808/1809 wurden stützende Pfosten im Innenraum entfernt und die Deckenkonstruktion verändert. Erste Maßnahmen im Sinne des Denkmalschutzes kamen im Sommer 1912 zur Ausführung: Malereien an der Emporenbrüstung wurden freigelegt und wiederhergestellt, für die neu eingebaute elektrische Beleuchtung »Beleuchtungskörper« den Wünschen des Denkmalpflegers gemäß ausgewählt.

Zuletzt fand in den 1990er Jahren eine groß angelegte Kirchensanierung mit umfassenden Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen statt, die mit dem Hessischen Denkmalschutzpreis 2000 ausgezeichnet wurde.

C. Nebel
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