Was bisher geschah
Wenn die neue Staffel einer Serie beginnt, kommt er unweigerlich: Der Blick zurück. Oft mit einer fast „himmlisch“ wirkenden Stimme aus dem Off: „Was bisher geschah“. So ein bisschen fühlt es sich jetzt an, wenn ich Ihnen ein Stück aus meinem Leben erzähle, das mich zu diesem Neubeginn in Ihrer Kirchengemeinde geführt hat.
Mein Name
Ich bin Simba Burgdorf. Geboren wurde ich am 18.12.1989 in Harare, Simbabwe. Meine Eltern haben dort im ländlichen afrikanischen Raum ein Hilfsprojekt für Lehrer begleitet. Durch Fördermittel wurde dort eine neue Schule gebaut und afrikanische Schüler*innen in Deutschland als Lehrer ausgebildet. Für die Zeit der Ausbildung der afrikanischen Lehrer*innen hat sich eine Gruppe von deutschen Referendar*innen bereiterklärt befristet dort in Afrika zu arbeiten. So auch meine Eltern.
Für die ersten drei Jahre meines Lebens wuchs ich deshalb im afrikanischen Stamm der „Shona“ auf. Geboren wurde ich in Harare, der Hauptstadt von Simbabwe. Aufgewachsen bin ich aber im ländlichen Afrika, ohne befestigte Straßen und dauerhaften Strom oder fließendes Wasser.
Das Oberhaupt des Stammes, in dem wir lebten, hatte noch nie ein weißes Baby gesehen. Er dachte, dass weiße Menschen schwarz geboren werden und dann durch die Sonne „ausbleichen“. Deshalb nannte er mich von da an „Gott ist mächtig“ - „Simbarashe“ in Shona. Der Name hat meinen Eltern so gut gefallen, dass sie ihn einfach behalten haben. Und so kam ich zu meinem ungewöhnlichen Vornamen. Mit der Zeit wurde das Simbarashe als Rufname ein wenig zu lang und es blieb nur noch das „Simba“ übrig.
Sollte ich jemals eine Autobiographie schreiben, werde ich behaupten, dass ein Kind mit einer solchen Namensbedeutung gar nichts anderes werden konnte, als Pfarrer… Die Wahrheit sieht in meinem Fall aber eigentlich ganz anders aus, wie ich gleich erzählen werde.
Als ich drei Jahre alt war, kehrten meine Eltern nach Braunschweig in die Heimatstadt meiner Mutter zurück. Wegen der politischen Unruhen und der „Simbabwe den Schwarzen!“ - Politik vom damaligen Machthaber Robert Mugabe, wurde das Hilfsprojekt frühzeitig beendet.
Im wunderschönen Braunschweig wuchs ich bis zum Studium auf.
Meine Geschichte mit Gott und seiner Kirche
Ich sage es ganz offen: Ich hatte lange Zeit mit Kirche überhaupt nichts am Hut. Meine Welt bestand in weiten Teilen aus lauter Musik, gefärbten Haaren und den Besuchen von guten Konzerten. Vielleicht war dies mein innerer Protest gegen meinen Alltag auf einer christlichen Privatschule, an der auch meine Mutter arbeitete. Vielleicht fand ich es auch einfach nur cool „dagegen“ zu sein. Gegen was? Egal! Hauptsache Rebell.
Ich hatte zwar nichts mit Kirche zu tun, aber Gott spielte seit dem frühen Tod meines Vaters schon immer eine entscheidende Rolle in meinem Alltag. „Ich brauche keine Kirche, um an Gott zu glauben“, war damals eins meiner Mottos. Ich war Gott auch so dankbar dafür, dass er mich durch die schweren Zeiten meines Lebens begleitet hatte. In der Tat war ich Gott dermaßen dankbar, dass ich irgendwie immer auf der Suche nach ihm war. Das Problem: Das Bühnenprogramm seines Bodenpersonals konnte einfach nicht mit den von mir geliebten Konzerten mithalten. Kurz: Keine zehn Pferde konnten mich in den Gottesdienst bringen. Zu langweilig, zu nichtssagend, zu schlechte Musik für meine damaligen Ohren.
Irgendwo in den entscheidenden prägenden Jahren hatte ich dann folgenden Gedanken: In jeder Musikrichtung der Welt gibt es unzählige Bands. Jede dieser Bands tritt irgendwie anders auf, obwohl sie das gleiche Genre und vielleicht sogar gleiche Inhalte haben.
Also dachte ich mir: Schau dir doch einfach so viele „Bands“, sprich, so viele unterschiedliche Gottesdienste wie möglich an und finde heraus, welcher dir am besten gefällt.
In den kommenden Monaten versuchte ich alles abzugreifen, was Braunschweig an kirchlichen „Gigs“ zu bieten hatte: Vom Orgelkonzert im Dom bis zum Abendmahlsgottesdienst bei den „Jesus Freaks“, bei dem unter Metal-Musik Bier und Chips unter einer Brücke als „Brot und Wein“ gereicht wurden, habe ich mir alles gegeben, was so ging.
Mein persönliches Fazit sah so aus: Das Evangelium war für mich unbeschreiblich wundervoll. Für mich war es schon immer erlösend, befreiend, ermutigend, herzöffnend, interessant, tröstend - kurz: Es hat hart gerockt.
Bei der „Bühnenshow“ der einzelnen Kirchen gab es jedoch gewaltige Unterschiede. Diejenigen Kirchen, die - meiner Laienmeinung nach - eine gute Botschaft und eine gute „Show“ hatten, versuchten mich schnell „zu bekehren“ oder „mich auf den richtigen Weg“ zu führen. Mehr und mehr suchten sie den Einfluss auf meine Denk- und Verhaltensweisen. Etwas, das auch mit meiner alt- 68er-Erziehung durch meine Mutter und meinen damaligen Idealen überhaupt nicht zu vereinbaren war.
Auf der anderen Seite hatten diejenigen Kirchen, die mich frei und unabhängig denken und leben lassen wollten, eine dermaßen langweilige „Show“ am Sonntag, dass ich überhaupt keinen Sinn darin sah dafür meine Zeit zu verschwenden.
Also saß ich in meiner Jugend immer irgendwie zwischen den Stühlen. Bei den einen kritisierte ich dies, bei den anderen das.
Bis schließlich mein bester Freund damals zu mir sagte: „Weißt du, ich bin es jetzt satt. Rumkritisieren können viele - besser machen nur wenige. Wenn dich die Kirche nervt - dann mach sie doch besser!“
Liebe Leser*innen - deshalb bin ich heute hier.
Was als Schnapsidee und „Lebenswette“ begann, lenkte meine Schritte in den kommenden Jahren.
Mit 18 Jahren zog ich für das Theologiestudium nach Marburg. Während meines Studiums arbeitete ich beim Evangelischen Rundfunk in Wetzlar. Ich hatte dort eine eigene zweistündige Sendung, bei der ich Inhalte der Bibel im modernen Radio- und Podcastformat verkündigen durfte.
In Marburg lernte ich auch meine heutige Frau Nadia kennen. Gemeinsam absolvierten wir das lange Studium, zwei Examina und das Vikariat im Raum Idstein. Meiner Frau ist es zu verdanken, dass ich heute in der EKHN bin. Sie sagte zu mir: „Diese Kirche ist das, was du suchst. Fundiert theologische Verkündigung und dabei genug Gestaltungsfreiraum für alle kreativen Ideen.“
Mein Traum von Kirche
Sie sollte Recht behalten. In den letzten vier Jahren habe ich den Ort gefunden, an dem ich daran arbeiten kann, was ich damals als Teenager so sehr vermisst habe:
- Kirchengemeindearbeit, die das wundervolle Evangelium klar und deutlich verkündet und dabei ein besseres Gemeinschaftsgefühl als bei einem guten Konzert erzeugt.
- Kirchengemeindearbeit die eine gute „Show“ bietet im wahrsten Sinne des Wortes: „Wir möchten euch etwas zeigen (engl. „to show“), von dem wir überzeugt sind. Von dem wir glauben, dass es euch mit den wichtigsten Dingen in Verbindung bringt und in eurem Alltag helfen kann und wird.“
- Kirchengemeindearbeit, die ansprechend ist für junge, wilde, kreative und zukunftsorientierte Menschen. Kirchengemeindearbeit, die begeistert, Ehrenamtliche motiviert und neue Menschen durch unser Reden und Tun mitreißt und in eine positive Richtung leiten kann.
- Kirchengemeindearbeit, die Orientierung in einer unsicheren Welt gibt und gleichzeitig jedem den Freiraum und die Chance bietet seine Gaben und Talente zu entdecken und zu leben!
- Kirchengemeindearbeit, die eine Oase im Alltag sein kann und gleichzeitig für den Alltag ausrüstet, damit man ihn besser gestalten kann.
- Kirchengemeindearbeit, bei der alle nachher sagen können: „Ich war mit dabei“, sich am liebsten ein „Band T-Shirt“ der Kirchengemeinde kaufen würden und stolz darauf sind, ein Teil von etwas viel Größerem gewesen zu sein.
In den letzten fünf Jahren habe ich in der Lichtkirche auf der Landesgartenschau Bad Schwalbach, in Bad Vilbel Heilsberg, Rendel und Wöllstadt als Pfarrer gearbeitet und habe an allen diesen Orten Menschen gefunden, die einen ähnlichen Traum von Kirchengemeindearbeit hatten, wie ich ihn schon seit so langer Zeit in mir trage.
Ich glaube fest daran, dass in viel mehr Menschen, als wir es jetzt sehen, die Begeisterung für den christlichen Glauben schlummert, ruht oder aufgeschoben wurde. Sie wartet förmlich darauf entdeckt oder wieder entzündet zu werden und durch die richtigen Konzepte weitergetragen zu werden.
Für dieses Bild von Kirchengemeinde powere ich mich gerne aus. Tag für Tag. Woche für Woche. Aber natürlich schaffe ich das niemals allein. In allen meinen bisherigen Orten habe ich es geschafft, zusammen mit anderen Menschen zu träumen und Träume wahr werden zu lassen. Im Team ist so vieles möglich, was alleine niemals ginge.
Deshalb freue ich mich besonders auf die Gesamtkirchengemeinde Karben. Was ich bisher durch meine Frau gehört habe, wird Teamwork hier extrem hoch gehalten.
Ich freue mich darauf gemeinsame Projekte anzugehen und mich von tollen Ideen anstecken zu lassen und mitzugestalten. Ich freue mich darauf wieder offene und liebevolle Menschen zu treffen, mit denen wir eine wundervolle Kirchengemeinde bauen können.
Ich freue mich darauf zusammen mit meinen zwei Kindern Leontien und Aris und zusammen mit meiner Frau in der Kirchengemeinde leben und genießen zu können, in der ich auch arbeite.
Ich freue mich auf Sie, liebe Kärber und bin gespannt, was Gott mit uns in den kommenden Jahren vor hat! Bis wir uns sehen wünsche ich Ihnen alles Gute und Gottes überschwappenden Segen.